Meinung

Melnyk bezeichnet Scholz als "beleidigte Leberwurst" – Darf ein Botschafter sowas?

Bundeskanzler Olaf Scholz schließt eine Reise nach Kiew vorerst aus – die Ausladung des deutschen Bundespräsidenten stehe dem im Weg. Der ukrainische Botschafter Andrei Melnyk betitelt ihn nun als "beleidigte Leberwurst". Es ist nicht das erste Mal, dass der Diplomat Akteure seines Gastlandes brüskiert.
Melnyk bezeichnet Scholz als "beleidigte Leberwurst" – Darf ein Botschafter sowas?Quelle: www.globallookpress.com © Kay Nietfeld

von Désirée Stella Lambert

Botschafter tragen eine große Verantwortung. Ist es doch ihre Aufgabe, ihr Land dem Gastland gegenüber zu vertreten und die zwischenstaatlichen Beziehungen beider Länder zu fördern – normalerweise. Für den ukrainischen Botschafter in Deutschland, Andrei Melnyk, scheint das Gebot der diplomatischen Contenance nicht zu gelten. Statt Dankbarkeit für die Bereitstellung von militärischem Gerät sowie finanziellen Hilfen zu empfinden, wettert der Botschafter lieber gegen hochrangige Vertreter des Landes, das der Ukraine diese Hilfe leistet: sein Gastland Deutschland.  

Melnyks neueste diplomatische Entgleisung traf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der zuvor verkündet hatte, vorerst nicht in die Ukraine reisen zu wollen. "Eine beleidigte Leberwurst zu spielen, klingt nicht sehr staatsmännisch", spottete der ukrainische Botschafter über diese Entscheidung im Gespräch mit der dpa. "Es geht um den brutalsten Vernichtungskrieg seit dem Naziüberfall auf die Ukraine, es ist kein Kindergarten", so Melnyk. 

Scholz hatte am Montagabend im ZDF gesagt, die Ausladung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier durch die Ukraine stehe seiner Reise im Weg. Steinmeier wollte Mitte April eigentlich zusammen mit den Staatschefs von Polen, Lettland, Estland und Litauen nach Kiew fahren, erhielt aber kurzfristig eine Absage. Der SPD-Kanzler sagte dazu:

"Es kann nicht funktionieren, dass man von einem Land, das so viel militärische Hilfe, so viel finanzielle Hilfe leistet, das gebraucht wird, wenn es um die Sicherheitsgarantien geht, die für die Zeit der Ukraine in der Zukunft wichtig sind, dass man dann sagt, der Präsident kann aber nicht kommen."

Der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij würde sich weiterhin freuen, Scholz in Kiew empfangen zu dürfen, erklärte Melnyk. Allerdings fügte der Botschafter hinzu:

"Worauf sich die Ukraine viel mehr als auf alle symbolischen Besuche freuen würde, ist, dass die Ampel-Regierung den Antrag des Bundestages über die Lieferung von schweren Waffen zügig umsetzen wird und die bisherigen Zusagen erfüllt."

Scholz wies den Vorwurf der Zögerlichkeit am Montagabend entschieden zurück. "Ich habe immer schnell entschieden, zusammen mit allen anderen, mich mit den Verbündeten abgestimmt", sagte er im ZDF. "Aber mein Kurs ist schon, dass wir besonnen und mit klarem Verstand handeln", da sich viele Deutsche vor einer weitreichenden Eskalation des Krieges fürchteten, so der Kanzler.

"Sie machen sich diese Sorgen ja auch berechtigterweise."

Eine unmittelbare Beteiligung der NATO an dem Krieg sei für ihn keine Option, versicherte Scholz. 

Die scharfe Kritik Melnyks gegen Scholz war indes nicht die erste ihrer Art. So bezeichnete der ukrainische Botschafter Scholz in der Vergangenheit auch schon als "Feigling", weil sich dieser lange Zeit gegen die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine aussprach. 

Auch das Fernbleiben der beiden deutschen Spitzenpolitiker Steinmeier und Scholz vom Bundespresseball vergangenen Freitag sei insbesondere deshalb "unangemessen" gewesen, da der Ball in diesem Jahr im Zeichen der Ukraine gestanden habe. "Kein Bundespräsident. Kein einziges Mitglied der Ampel-Regierung auf dem Solidaritätsball für die Ukraine & Pressefreiheit. Weil das im Krieg 'unangemessen' ist. Doppelschlag ins Gesicht der Medien & ein verheerendes Signal nach Kiew. Sehr schade", schrieb der Botschafter der Ukraine auf Twitter.

Den prominenten Verfassern eines in der Zeitschrift Emma veröffentlichten Offenen Briefs an Bundeskanzler Scholz, in dem die Autoren vor der Gefahr eines dritten Weltkrieges im Falle weiterer schwerer Waffenlieferungen warnen, unterstellte Melnyk bei Twitter, "nichts aus der Geschichte gelernt zu haben."  

Im Gegensatz zu deutschen, würden ukrainische Prominente "keine blöden, sittenlosen Ratschläge" geben und stattdessen selbst im Kriegsgebiet "anpacken", ergänzte der Botschafter, der in Berlin selbst keinen Gefahren des Krieges ausgesetzt ist.   

Doch seine bisher größte Wutrede galt immer noch dem ehemaligen Merkel-Berater und Bundeswehrgeneral a.D., Erich Vad. Dieser hatte in der Talkshow Maybrit Illner gesagt, dass der Umgang der Ukraine mit Deutschland ihn sehr bedrücke. Auch das Agieren des Botschafters Melnyk finde er nicht in Ordnung. Die Ukraine sei Deutschland zu mehr Dankbarkeit verpflichtet, so Vad. Darauf entgegnete der ukrainische Diplomat, dass Vad ein "erbärmlicher Loser" sei, der "vom Krieg keine Ahnung hat." 

In Deutschland sorgen Melnyks teils beleidigende Äußerungen indes zunehmend für Empörung. So forderte die FDP-Bundestagsabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann den ukrainischen Botschafter am Dienstag dazu auf, sich beim Bundespräsidenten zu entschuldigen. Die Ukraine habe Frank-Walter Steinmeier ausgeladen und könne nun nicht erwarten, dass Olaf Scholz nach Kiew reise, sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses den Zeitungen der Funke Mediengruppe:

"Vielleicht, lieber Herr Melnyk, entschuldigt man sich einfach mal beim Präsidenten und lädt dann den Kanzler höflich ein zu kommen."

AfD-Fraktionschef Tino Chrupalla geht sogar noch einen Schritt weiter und fordert Konsequenzen. Zuerst lade der Präsident der Ukraine den Bundespräsidenten aus, jetzt beleidige der Botschafter den Kanzler, kritisierte Chrupalla. "Solche Provokationen und Beleidigungen von Verfassungsorganen sind nicht tatenlos hinzunehmen. Die Bundesregierung muss sofort Botschafter Melnyk einbestellen", forderte der AFD-Politiker im Gespräch mit der DPA. Sollte sich Melnyk uneinsichtig zeigen, müsse die Regierung auf seiner umgehenden Abberufung bestehen, so Chrupalla.

Was Melnyk bei seinen zahlreichen beleidigend formulierten und letztlich Richtung Krieg treibenden Forderungen offensichtlich entgeht, ist, dass ein solcher Krieg auch schwerwiegende Folgen für sein Gastland Deutschland haben würde. Wie in der Ukraine auch wird es am Ende die normale Bevölkerung sein, die konkret die Folgen zu tragen hat. Von einem Botschafter sollte man deshalb Diplomatie, und nicht Provokation erwarten. 

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