Meinung

"Abschiebeoffensive" aus Solidarität mit Israel? Warum das "Bild-Manifest" eine Farce ist

Zwar keine Wende "um 360 Grad", aber um 180 Grad! So stellt sich die Bild-Zeitung samt ihrer neuesten Kampagne "Deutschland, wir haben ein Problem" mit Blick auf den Nahostkonflikt und die aktuelle "Flüchtlingskrise" dar. Und die bundesdeutsche Politikelite spielt fleißig mit. Die Bürger sollten sich allerdings kein X für ein U vormachen lassen.
"Abschiebeoffensive" aus Solidarität mit Israel? Warum das "Bild-Manifest" eine Farce istQuelle: www.globallookpress.com © IMAGO/Chris Emil Janssen

Von Kaspar Sachse

"Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern. Nichts hindert mich daran klüger zu werden", soll der erste Bundeskanzler Konrad Adenauer einmal gesagt haben. Und tatsächlich erfordern neue Herausforderungen – beispielsweise im geopolitischen Geschehen – oftmals auch neue politische Spielräume.  

Für die politische Klasse der Bunderepublik und ihre entkernten Blockparteien von der CDU bis Die Linke gilt das allerdings nicht: Zu offensichtlich zeigt sich dieser Tage, wie man in einer jahrelang betriebenen, desaströsen Flüchtlingspolitik der offenen Grenzen nun, vor dem Hintergrund des wieder ausgebrochenen Nahost-Konflikts, quasi über Nacht um 180 Grad wenden will. Ganz vorne mit dabei sind die üblichen Verdächtigen: Die Spitzen der Bundesregierung, selbsternannte "Intellektuelle", die bei Markus Lanz und Anne Will ein- und ausgehen und ganz vorne mit dabei auch die Bild-Zeitung, die sich mittlerweile "gut" zurechtgefunden hat zwischen dem ihr inhärenten Transatlantismus und Zionismus sowie der von den neuen Eigentümern eingeordneten woken Agenda.

Das "Manifest", das die Bild-Zeitung am Sonntag veröffentlichte, spricht zwar viele wichtige Themen an, die Doppelmoral und die Islamfeindlichkeit sind allerdings kaum auszuhalten. Denn parallel erhalten die USA und Israel für ihre geopolitischen "Ambitionen", welche nicht zuletzt die eine oder andere "Flüchtlingskrise" ausgelöst haben und auch aktuell wieder auslösen werden, stets einen Persilschein – sowohl vom Bundeskanzleramt als auch aus der Axel-Springer-Straße in Berlin. Sind ein paar Beispiele gefällig, die mit Blick auf die politischen Zäsuren zwischen dem innenpolitischen "Corona-Regime" (Herfried Münkler) und der außenpolitischen "Zeitenwende" (Olaf Scholz) wie eine Farce daherkommen?

1. Für jeden, der in ­Deutschland lebt, gilt Artikel 1 des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar ...

5. Jeder kann in Deutschland friedlich für seine Über­zeugung demonstrieren. Zur ­freien Meinungsäußerung gehört nicht, Menschen zu bedrohen oder zusammenzuschlagen, Steine zu werfen, Autos anzuzünden, Mörder zu feiern.

6. Wir vermummen oder ­verhüllen uns nicht, wir schauen uns ins Gesicht (es sei denn, es ist Karneval oder Corona). ...

8. Vor dem Hintergrund des dunkelsten Kapitels unserer Geschichte ist die Sicherheit Israels deutsche Staatsräson! Das heißt: Das Eintreten für die Sicherheit des jüdischen Volkes ist nicht verhandelbar. Kritik an der Politik Israels ist selbst­verständlich erlaubt. ...

16. Auch wenn sich jemand ­weder als Frau noch als Mann fühlt, wird er oder sie nicht verfolgt oder bestraft. Bei uns dürfen Bürger quer denken und queer ­leben. ...

23. Wir sind tolerant mit Toleranten. 24. Und haben keinerlei Toleranz bei Intoleranz! ...

35. Wir zahlen Steuern, weil wir wissen, dass sie das Fundament des Staates sind. ...

43. Die Medien hinterfragen die Politiker, aber wir ­vertrauen grundsätzlich darauf, dass die Gewählten wahrheits­gemäß und zum Wohle des ­Volkes entscheiden.

Interessant sind die Reaktionen auf die 50 "Thesen". Dabei steht besonders der seit dem 7. Oktober wenig überraschend widererstarkte Antisemitismus in der Bundesrepublik im Vordergrund. So gelingt es dem Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck einmal mehr, den offensichtlichen Widerspruch der besonders von seiner olivgrünen Partei getragen Politik der offenen Grenzen und der (nicht erst jetzt) zum Vorschein tretenden, dadurch entstandenen Probleme zu übersehen und holt einmal mehr die "Nazi-Keule" heraus: "Das Ausmaß des Antisemitismus ist erschreckend. Wir haben eine historische Verantwortung, und Antisemitismus egal in welcher Gestalt darf in Deutschland keinen Platz haben." Nach den Jahren 2020 bis 2022 stellt er ab jetzt fest:

"Es gilt das Grundgesetz mit all seinen Rechten und Pflichten."

Der Bundesminister der Finanzen Christian Lindner (FDP) – dessen Parteibasis ihn wegen Unfähigkeit gerade zum Verlassen der Ampel in Berlin drängen will, stellt sich plötzlich auch als harter Migrationskritiker dar:

"Seit 2016 warne ich vor ungeordneter Einwanderung nach Deutschland. Deren Folgen sind offensichtlich."

Und auch Vertreter der Partei des Bundeskanzlers dürfen im Jubelgesang auf das Springer-Pamphlet nicht fehlen. Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) "gelingt" dabei sogar der Spagat, gleich noch Kritiker der staatlichen Corona-Maßnahmen und Querdenker aller Art mit an den Pranger zu stellen:

"Ich danke BILD für die klare Haltung gegen Antisemitismus und unterstütze das Manifest. Allerdings gibt es antisemitische und verfassungsfeindliche Demonstrationen schon seit vielen Monaten auf deutschen Straßen. Ich erinnere an die Judensterne und Reichsfahnen bei Corona- und Querdenkerdemos. Es sind eben nicht nur Migranten, die unsere offene Gesellschaft und unsere Demokratie bedrohen."

Was die oben beschworene "Meinungsfreiheit" noch wert ist, kann derzeit jeder selbst erleben: Demonstrationen werden verboten, gewählte oppositionelle Politiker aufgrund hanebüchener Vorwürfe verhaftet und die Bundesministerin des Innern Nancy Faeser will den Verfassungsschutz zu einer Denunzianten-Plattform erweitern. Und was die bereits vor einigen Wochen beschriebene Abschiebeansage des Bundeskanzlers im Spiegel betrifft, so hat der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) Rainer Wendt im Gespräch mit dem Focus die "Strategie" von Scholz bereits als zahnlosen Tiger entlarvt:

"Für rund 50.000 vollziehbar ausreisepflichtige Personen bräuchte man mehr als 80 Jahre, um sie in ihre Heimat abzuschieben, in dieser Zeit wären Millionen hier angekommen."

Wer nun also echte Verbesserungen hinsichtlich der "Flüchtlingskrise" erwartet, sollte besser aufpassen, dass seine eigenen, im Grundgesetz verbrieften Freiheiten im Kontext des Nahost-Konfliktes wie auch im Zuge der vielen anderen Krisen dieses Landes, die den Normalbürger seit Jahren auf Trab halten, nicht noch weiter eingeschränkt werden.

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