Meinung

"Wall Street Journal" enthüllt: Tragödie in der Ukraine wäre per Diplomatie vermeidbar gewesen

Eine US-Zeitung weiß von einer diplomatischen Initiative von Kanzler Scholz und Präsident Macron aus dem Februar zu berichten. Demnach hätte die Tragödie in der Ukraine verhindert werden können, mit etwas mehr Mumm und etwas weniger Ignoranz.
"Wall Street Journal" enthüllt: Tragödie in der Ukraine wäre per Diplomatie vermeidbar gewesenQuelle: Sputnik © Ilya Pitalev

von Rainer Rupp

Wenn die Nachricht des Wall Street Journal stimmt, dann hat die Zeitung einen riesigen, menschenverachtenden Skandal enthüllt. Denn das Sterben von Tausenden und das Leid von zig Tausenden Menschen in der Ukraine, egal auf welcher Seite, erscheint aufgrund der Wall-Street-Journal-Enthüllung in einem ganz anderen Licht. Die Tragödie wäre dank einer endlich ernst gemeinten diplomatischen Initiative von Kanzler Olaf Scholz und Präsident Emmanuel Macron vermeidbar gewesen. Die in Aussicht gestellte friedliche Lösung ist jedoch im letzten Moment gescheitert, hauptsächlich am arroganten, nationalistischen Fanatismus der politischen Führung in der Ukraine, gepaart mit dem offensichtlichen Desinteresse Washingtons an einer Verhandlungslösung.

Kiews maßlose Überschätzung der Kampfkraft seiner von USA/NATO ausgebildeten Streitkräfte, deren Rückgrat von den faschistischen Freiwilligen-Bataillonen gebildet wurde und immer noch wird, hat zusammen mit der bodenlosen Dummheit des politischen Dilettanten Wladimir Selenskij zwangsläufig in die aktuelle Katastrophe geführt.

Der professionelle Schauspieler Selenskij, der in einer TV-Satire als Polit-Clown schon einmal die Rolle des Präsidenten der Ukraine gespielt hatte, war zu Beginn der aktuellen Krise wahrscheinlich in dem Glauben, die heldenhafte Siegerrolle in dem von Washington geschrieben US/NATO-Drehbuch zu spielen. Aber das im Skript versprochene tolle Hollywood-Happyend wurde von der harten Wirklichkeit der russischen Erfolge bei der Demilitarisierung und der noch laufenden Denazifizierung der Ukraine eingeholt.

Auch das US/NATO-Sanktionen-Drehbuch zur Ruinierung der russischen Wirtschaft war offensichtlich von politischen Laien aus der US-Filmindustrie geschrieben worden. Die westlichen Drehbuchautoren hatten offensichtlich erwartet, dass Moskau nach dem harten ersten Sanktionsschlag auf die linke Wange die rechte Wange für den nächsten Schlag hinhalten würde. Stattdessen hat Russland mit Gegensanktionen geantwortet, in deren Folge nun die US/NATO-Zauberlehrlinge von ihren eigenen Hexensprüchen wirtschaftlich destabilisiert werden. All das wäre laut den Enthüllungen im Wall Street Journal mit einem Minimum an klarem Verstand und ein wenig politischem Mut von Kanzler Scholz und Präsident Macron gegenüber den Kriegsherren in Washington vermeidbar gewesen.

Auch in Deutschland drohen jetzt galoppierende Inflation, Produktionseinbrüche, Massenarbeitslosigkeit und noch mehr Verarmung, aber dafür gibt es 100 Milliarden Euro für die militärische Aufrüstung, zusätzlich zu den jährlichen Bundeswehrhaushalt. Angesichts dieser Entwicklung kann man nur noch fassungslos den Kopf schütteln. Nicht nur die Regierung der Ampelkoalition hat total versagt, sondern auch die Oppositionsparteien CDU/CSU und Die Linke. Sie alle haben sich als willige Helfer der ukrainischen Nazi-Versteher und eifrige Mitläufer der von US/NATO-orchestrierten Kriegshysterie gegen Russland hervorgetan.

Aber es wird Zeit, dass wir uns jetzt den Artikel im Wall Street Journal genauer anschauen. Der ist unter dem Titel: "Vladimir Putin's 20-Year March to War in Ukraine – and How the West Mishandled It" erschienen. (Zu Deutsch: Wladimir Putins 20-jähriger Marsch in den Krieg in der Ukraine – und was der Westen falsch gemacht hat.) In dem sehr langen Artikel, der natürlich die US-Politik verteidigt, findet man tief im Text versteckt so ganz nebenbei folgende Passage:

"Herr Scholz machte dann einen letzten Vorstoß für eine Einigung zwischen Moskau und Kiew. Am 19. Februar in München (bei der so genannten 'Sicherheitskonferenz') sagte er Herrn Selenskij, dass die Ukraine auf ihre Bestrebungen nach einem NATO-Beitritt verzichten und die Neutralität der Ukraine als Teil eines umfassenderen europäischen Sicherheitsabkommens zwischen dem Westen und Russland erklären sollte. Der Pakt würde von Herrn Putin und Herrn Biden unterzeichnet werden, die gemeinsam die Sicherheit der Ukraine garantieren würden."

"Selenskij sagte, man könne Herrn Putin nicht trauen, ein solches Abkommen einzuhalten, und die meisten Ukrainer wollten der NATO beitreten. Seine Antwort ließ die deutschen Beamten besorgt zurück, dass die Chancen auf Frieden schwanden."

Am Tag nach dem Treffen zwischen Scholz und Selenskij appellierte der französische Präsident Macron in einem Aufruf zwischen den Staats- und Regierungschefs an Biden, einen weiteren Vorstoß für die Diplomatie zu unternehmen. Laut Wall Street Journal sagte Macron zu Biden: "Ich denke, die letzte Person, die noch etwas tun könnte, bist du, Joe. Bist du bereit, Putin zu treffen?"

Aber Washington schien an einem weiteren diplomatischen Vorstoß nicht interessiert zu sein. Dennoch habe Macron – so die Zeitung – die Nacht des 20. Februar damit verbracht, abwechselnd am Telefon mit Putin und Biden zu sprechen.

Aber Biden bzw. seine Berater im Weißen Haus waren offensichtlich nicht daran interessiert, den Vorschlag von Scholz zu unterstützen, nämlich die Neutralität der Ukraine als Teil eines umfassenderen, europäischen Sicherheitsabkommens zwischen dem Westen und Russland gemeinsam mit Putin zu garantieren. Auf Drängen von Macron beschied Biden dem französischen Präsidenten lediglich, er könnte Putin ausrichten, dass er für ein weiteres Telefongespräch bereit sei.

Aber am nächsten Tag – so das Wall Street Journal weiter – habe Putin Macron zurückgerufen und gesagt, "er habe beschlossen, die Unabhängigkeit der separatistischen Enklaven in der Ostukraine anzuerkennen. Er sagte, Faschisten hätten in Kiew die Macht, während die NATO nicht auf seine Sicherheitsbedenken reagiert habe und stattdessen plane, Atomraketen in der Ukraine zu stationieren".

Die Details des von Macron unterstützten deutschen Vorschlags zur friedlichen Beendigung der Ukraine-Krise sind leider nicht bekannt. Aber unter dem Eindruck des realen Kriegsverlaufs, der für die ukrainische Seite katastrophale Ausmaße angenommen hat, haben sich die Tagträume der Regierung in Kiew von der NATO-Mitgliedschaft einer siegreichen Ukraine verflüchtigt. Für Selenskij und seine Regierung wird es enger. Mit jedem weiteren Tag der russischen Militärsonderoperation schmelzen seine politischen Optionen dahin.

Selenskij hat sich in der entscheidenden Phase der diplomatischen Verhandlungen entweder aus Arroganz oder Ahnungslosigkeit oder aus einer Mischung von beidem lieber an die hohlen Versprechen von USA/UK/NATO geklammert, als dem vernünftigen Menschenverstand zu folgen. Die ukrainische Neutralität hätte nicht nur das Leben Tausender Menschen gerettet, sondern im Rahmen von Minsk II auch den Verbleib der beiden Donbass-Volksrepubliken in einer unabhängigen Ukrainischen Föderation gesichert.

Nun jedoch ist Selenskij "allein daheim". In seiner letzten Hoffnung glaubt er – ganz der geborene Schauspieler – mit glühend-theatralischen Video-Appellen an Gott und die Welt die Ukraine, so wie sie ist, nämlich mit den faschistischen Verbrechern in den Schlüsselpositionen des Staates, erhalten zu können. Noch immer wehrt sich Selenskij gegen die Realität, wie sein jüngster Video-Appell an den UN-Sicherheitsrat am 5. April zeigt, den er mit unerträglichem Massaker-Porn, aber leicht durchschaubaren Lügen vollgepackt hatte.

In seinem Beraterkreis scheint man allerdings der Realität ein ganzes Stück näher gekommen zu sein. Anders ist nicht zu erklären, dass bei den letzten ukrainisch-russischen Verhandlungen in der Türkei, Selenskijs Chef-Unterhändler David Arachamija den Russen die ukrainische Neutralität angeboten hat; also im Grunde nichts anderes, was bereits Scholz und Macron zwecks Verhinderung der russischen Militäroperation Selenskij als Lösung vorgeschlagen hatten.

Es ist eine schauerliche "Ironie", wenn einem klar wird, dass all die zerstörten Menschenleben, all die die durch Artilleriegefechte verwüsteten Städte, Dörfer und Industrieanlagen, all die Millionen Flüchtlingen, all das Leid der Menschen auf beiden Seiten der Front hätte verhindert werden können, wenn Selenskij vor sechs Wochen dem zugestimmt hätte, was jetzt sein eigener Unterhändler freiwillig Moskau als Verhandlungsbasis angeboten hat. Allerdings hat sich in der Zwischenzeit auf dem Boden der Realität viel verändert und eine Rückkehr zum Status Quo Ante, vor allem zu Minsk II in Bezug auf die Donezk-Volksrepubliken wird wahrscheinlich nicht mehr möglich sein.

Aber auch Bundeskanzler Scholz, ebenso wie Präsident Macron, hätten das Unheil in der Ukraine verhindern können. Wohl wissend um die fatale Dummheit der fehlhaften Entscheidung Selenskijs, hatten jedoch weder Scholz noch Macron den politischen Mumm, öffentlich "Nein" zu den US/NATO-Versprechungen zur militärischen Unterstützung der Ukraine zu sagen, die Selenskij in seinem Größenwahn, gegen Russland bestehen zu können, bestärkt hatten.

Ein "Nein" wäre zwingend notwendig gewesen, denn die Absichten der Kriegstreiber in Washington und London waren schon damals für jeden klar erkennbar. Es ging schließlich darum, die Ukraine als Kanonenfutter in einem militärischen und ökonomischen Abnutzungskrieg gegen Russland zu verheizen. Dass das der deutschen Wirtschaft und Bevölkerung empfindliche Kosten abverlangen würde und in Zukunft noch höhere abverlangen wird, war ebenfalls von Anbeginn klar.

Folglich hat Bundeskanzler Scholz seinen Amtseid, nämlich Schaden vom deutschen Volk abzuwenden, gebrochen. Stattdessen hat er den Interessen der US/NATO- und EU-Eliten trefflich gedient. Aber mit dem Sozialdemokraten Scholz ist es wie in der Geschichte mit dem Skorpion, der den Frosch bittet, ihn ans andere Ufer zu bringen.

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.