Deutschland

Bündnistreue sticht Abrüstung: Bundesregierung weicht Frage nach Abzug von US-Atomwaffen aus

Die Große Koalition lehnt die Unterzeichnung des Vertrages über ein Atomwaffenverbot ab. Statt so ein mögliches Ende von US-Atomwaffen in Deutschland zu begünstigen, beharrt sie auf Bündnistreue und verschanzt sich hinter der "sicherheitspolitischen Realität".
Bündnistreue sticht Abrüstung: Bundesregierung weicht Frage nach Abzug von US-Atomwaffen ausQuelle: www.globallookpress.com

Wie in dieser Woche aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei im Bundestag hervorgeht, hält die Bundesregierung

den Vertrag über das Verbot von Nuklearwaffen für nicht geeignet, das von ihr angestrebte Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt tatsächlich und in nachprüfbarer Weise zu erreichen.

Wenngleich Friedensaktivisten darauf verweisen, dass nukleare Abrüstung vor dem Hintergrund derzeitiger Spannungen auch infolge der Unberechenbarkeit des Bündnispartners USA umso dringlicher sei, heißt es weiter:

Nukleare Abrüstung und das Ziel einer Welt ohne Nuklearwaffen können und dürfen zudem nicht losgelöst von der sicherheitspolitischen Realität sowie den bündnispolitischen Verpflichtungen Deutschlands im Rahmen der NATO, zu denen die Bundesregierung uneingeschränkt steht, betrachtet werden.

Annen: Atomwaffenstaaten lassen Engagement für den Vertrag vermissen

Als Begründung für die deutsche Haltung nannte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Niels Annen (SPD), zudem die mangelnde Teilnahme der Atomwaffenstaaten an den Vertragsverhandlungen und Zweifel am Vertrag und dessen Überprüfungsstandards selbst, wie die Frankfurter Rundschau (Montagausgabe) berichtet.

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Auf die Frage nach der Möglichkeit eines Abzugs der US-Raketen antwortet Annen ausweichend. Er bezieht sich auf die im Koalitionsvertrag festgesetzten Vorgaben, welche den Abzug quasi ausschließen:

Solange Kernwaffen als Instrument der Abschreckung im Strategischen Konzept der NATO eine Rolle spielen, hat Deutschland ein Interesse daran, an den strategischen Diskussionen und Planungsprozessen teilzuhaben", heißt es darin.

Zudem betont er:

Erfolgreiche Abrüstungsgespräche schaffen die Voraussetzung für einen Abzug der in Deutschland und Europa stationierten taktischen Nuklearwaffen.

Dass es in absehbarer Zeit diesbezüglich einen Durchbruch geben könnte, erscheint unter den gegebenen Umständen als wenig wahrscheinlich.

Bündnistreue über alles

Im Juni des vergangenen Jahres hatten die Vereinten Nationen versucht, ein Atomwaffenverbot zu erarbeiten, was in Deutschland weitestgehend ignoriert wurde. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz versprach vor dem Hintergrund sinkender Zustimmungswerte für seine Partei, sich als Bundeskanzler für nukleare Abrüstung und den Abzug der US-amerikanischen Vernichtungswaffen einzusetzen. Er kündigte an, sich dafür verwenden zu wollen, dass "in Deutschland gelagerte Atomwaffen – und wenn sie in Rheinland-Pfalz gelagert sind, dann die in Rheinland-Pfalz gelagerten Atomwaffen – abgezogen werden".

Kritik hagelte ihm deswegen unter anderem aus der CDU und FDP entgegen, denn Deutschlands "Einbindung in die internationale Sicherheitsarchitektur" dürfe nicht der Effekthascherei im Wahlkampf zum Opfer fallen.

Doch diese derzeitige fortgeführte Sperrhaltung kritisiert unter anderem die Grünen-Fraktion. Dieser zufolge verliere die Bundesregierung, indem sie den Atomwaffenverbotsvertrag nicht unterschreibe, an abrüstungspolitischer Glaubwürdigkeit und schwäche gar die Vereinten Nationen und internationale Abrüstungsbemühungen.

Obwohl Deutschland im Jahr 1974 den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet hat, in dem sie auf Atomwaffen, die Verfügungsgewalt darüber und deren Einsatz verzichtet, trainieren deutsche Piloten und Tornado-Kampfbomber auch für den Abwurf von [US-]Atomwaffen im Einsatz.

Zahlreiche Stimmen meinen, dass Deutschland mit dieser Form der indirekten nuklearen Teilhabe gegen den Atomwaffensperrvertrag (NVV) verstößt.

Die Position Deutschlands, das sich ansonsten gern hinter anderen Atommächten versteckt und erfolgreiche Abrüstungsgespräche aller Atommächte als Voraussetzung zur Änderung der eigenen Haltung hin zum Abzug der Atomwaffen aus Deutschland und Europa betrachtet, kam beim NATO-Gipfel in Warschau im Jahr 2016 einmal mehr zum Tragen.

Dort brachte die deutsche Delegation ihre offenbar weiterhin bestehende Einstellung zur Atomwaffenthematik im Hinblick auf die westliche Allianz mit folgenden Worten zum Ausdruck:

Solange Nuklearwaffen existieren, will die NATO eine nukleare Allianz bleiben. Die strategischen Streitkräfte der Allianz, besonders die der Vereinigten Staaten, sind die oberste Garantie der Sicherheit der Allianz.

Relikt des Kalten Krieges erfährt Neuauflage

Die Vereinigten Staaten haben derzeit zwischen 150 und 200 Atomwaffen in fünf Ländern stationiert. Schätzungen zufolge werden allein 20 amerikanische Atomsprengköpfe auf dem Bundeswehrstützpunkt im rheinland-pfälzischen Büchel in der Eifel aufbewahrt. Zwar tragen die USA bis zur Zündung die volle Kontrolle über die Atomsprengköpfe. Doch im Rahmen der nuklearen Teilhabe der NATO würden im Ernstfall Piloten der deutschen Luftwaffe die Vernichtungswaffen ans Ziel fliegen - zumindest sofern die Jagdbomber funktionieren. Die deutschen Jagdbomberpiloten werden in Büchel dort zu genau diesem Zweck ausgebildet.

Die Bomben des Typs B61 - jede einzelne davon soll eine mehr als zehnmal so starke Sprengkraft aufweisen wie die Hiroshima-Bombe - sollen für geschätzte sechs Milliarden US-Dollar "modernisiert" werden. Nach 2020 soll die Bombe vom Typ B61-12 in Serienfertigung gehen und auch in Büchel gelagert werden.

Bis zum 4. Mai tagt derzeit ein Vorbereitungsausschuss zur Überprüfung des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NVV) im Büro der Vereinten Nationen in Genf.

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Moskau kritisiert Vertragsbruch der USA im Hinblick auf Europa

Während das US-Außenministerium jüngst befand, dass die USA ihre Verpflichtungen aus Abkommen über Rüstungskontrolle, Nichtverbreitung und Abrüstung nachkomme und damit den NVV einhalte, korrigierte das russische Außenministerium diese Feststellung und verwies auf die nukleare Aufrüstung der USA in Europa vor dem Hintergrund der erneuerten US-Nukleardoktrin.

Demnach sei Washington seinen Verpflichtungen aus dem Atomwaffensperrvertrag nicht nachgekommen, da die USA weiterhin die sogenannten "Joint Nuclear Missions" mit europäischen Staaten durchführen und diese Praxis sogar noch erweitern wollten.

All dies ist ein direkter Verstoß gegen die Artikel I und II des Vertrages", stellt das russische Außenministerium fest und verweist auf die Bestimmungen, die den Nationen ausdrücklich verbieten, Atomwaffen an andere Staaten zu übertragen oder ihnen die Kontrolle über die Vernichtungswaffen zu übergeben.

Moskau hatte Washington zuvor gewarnt, dass auch der Einsatz neuer B61-12-Bomben bei seinen Verbündeten in Europa den Verpflichtungen der USA im Rahmen des NVV zuwiderlaufen würde.

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