Impfen als "patriotischer Akt" – Bundesgesundheitsminister Spahn erklärt Vorschläge für den Herbst
"Impfen ist ein patriotischer Akt", sagt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview mit der Onlineausgabe der Zeitung Merkur. Er sei gegen eine Impfpflicht, betont er und fügt hinzu: "Aber ein Gebot, sich impfen zu lassen – das gibt es schon." Impfen sei "eine persönliche Entscheidung", die aber "Auswirkungen für uns alle" habe. "Jeder Einzelne entscheidet mit darüber, wie schwer Herbst und Winter für uns alle werden", meint der Minister.
Kritikern der Impfkampagne wie dem bayerischen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) wirft Spahn vor, "daraus gegen jede wissenschaftliche Erkenntnis so politisches Kapital schlagen zu wollen". Auf welche wissenschaftlichen Erkenntnisse er seine Sicht stützt, erklärt der Minister nicht, der gerade in Bayern im Urlaub ist. Er sagt auch nichts dazu, dass die Impfstoffe gegen COVID-19 Wissenschaftlern und Experten zufolge immer noch als experimentell gelten und bisher keine reguläre Zulassung haben.
Im Interview geht er unter anderem auf die am Dienstag bekannt gewordenen Vorschläge aus seinem Ministerium ein, mit neuen Einschränkungen im Herbst die befürchtete "vierte Welle" einzudämmen. Damit soll ein erneuter Lockdown verhindert werden – durch eine hohe Impfquote sowie "durchgängig und inzidenzunabhängig" weiteres Einhalten von Anti-Corona-Maßnahmen wie Abstand, Hygiene und Maskentragen.
Das soll überall dort gelten, wo in geschlossenen Räumen viele Menschen zusammentreffen, deren Impfstatus unbekannt ist oder "unter denen besonders verletzliche Personen sein könnten". Das schließt neue Einschränkungen für Ungeimpfte ein, denen der Ausschluss aus dem gesellschaftlichen Leben droht.
Impfen aus Patriotismus
"Es geht nicht nur darum, sich selbst zu schützen, sondern auch uns als Gesellschaft", sagt Spahn im Interview dazu: "Impfen ist ein patriotischer Akt." Der Minister spricht von "zwei Grundprinzipien" ab Herbst:
"Für das Zusammentreffen in geschlossenen Räumen gelten die 3G – das heißt, man muss geimpft, genesen oder getestet sein. Und ansonsten tragen wir weiter Maske und halten uns an die Hygiene- und Abstandsregeln. Wenn es in manchen Regionen weitere Beschränkungen brauchen sollte – etwa weil bestimmte Grenzwerte überschritten werden –, dann sind Geimpfte und Genesene davon ausgenommen."
Kritiker warnen vor einem Ausschluss Ungeimpfter vom sozialen Leben – bis hin zum Einkaufen im Supermarkt, das möglicherweise nur noch mit Impfnachweis möglich ist. So will Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) beispielsweise in Discos und Kultureinrichtungen nur Geimpfte und Genesene wieder hineinlassen. Spahn will das "für essenzielle Dinge wie öffentliche Verkehrsmittel oder den Rathaus- oder Krankenhausbesuch" vermeiden. Das soll weiter nur mit Maske oder Test möglich sein.
Die Idee Söders findet er aber nicht abwegig: "Aber für Discos, Stadien oder Theater, also Bereiche, die nicht zur Grundversorgung gehören, kann ich mir auch einen Zutritt nur für Geimpfte oder Genesene vorstellen." Auch einen "beschränkten Zugang" zu bestimmten Ereignissen und Veranstaltungen kann er sich vorstellen: "Dass zum Beispiel zu einem Fußballspiel im Bayern-Stadion 30.000 Geimpfte und dazu noch 2.000 Getestete kommen dürfen."
Deutliche Kritik
Im Interview geht er auch auf die Diskussion um den Wert der Sieben-Tage-Inzidenz ein, der als Maßstab für die Pandemie gilt und derzeit von zahlreichen Experten erneut in Frage gestellt wird. Die Inzidenz sei "nie der einzige Indikator" gewesen, so Spahn. Stattdessen habe die Regierung "immer auf ein Set an Werten geblickt. Dazu gehört neben der Inzidenz der R-Wert, der zeigt, wie schnell sich das Virus ausbreitet. Dazu gehört aber auch die absolute Zahl an Infektionen. Angesichts der erreichten Impfquote muss künftig auch die Zahl der Hospitalisierungen eine deutlich größere Rolle spielen."
Auf die deutliche Kritik an den bekannt gewordenen Vorschlägen für den Herbst, dass mit den Einschränkungen für Ungeimpfte deren Grundrechte missachtet werden, gehen weder Merkur noch Spahn ein. Am Mittwoch hatte FDP-Vize Wolfgang Kubicki vom "dreistesten und verheerendsten Wortbruch dieser Bundesregierung" gesprochen. Selbst Bild-Kommentator Jan W. Schäfer erinnerte in dem Blatt an Folgendes: "Bürgerrechte sind Grundrechte. Sie gelten für jeden – ob geimpft oder nicht!"
Spahns Position sei nicht die der Bundesregierung, erklärte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) der Augsburger Allgemeinen.
"Es liegen keine Pläne dieser Art auf dem Tisch."
SPD-Länderchefs äußerten ebenfalls deutliche Kritik an den Vorschlägen, aber ohne die Trennung zwischen Geimpften und Ungeimpften in Frage zu stellen.
Parteien widersprechen
Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) sagte der Bild: "Ich halte es für falsch und rechtlich unzulässig, Ungeimpfte vom öffentlichen Leben auszuschließen." Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte: "Niemand soll vom öffentlichen Leben ausgeschlossen werden." Ungeimpfte sollten mit negativem Testergebnis weiter zum Beispiel an Veranstaltungen teilnehmen dürfen. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig will, dass sich mehr Menschen ohne Drohung, sondern aus Überzeugung impfen lassen.
"Wer nicht geimpft oder genesen ist, sollte mit einem tagesaktuellen Negativtest am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können", sagte Parteichef Christian Lindner der Welt. "Alles andere wäre eine unverhältnismäßige Freiheitseinschränkung."
Auch Susanne Hennig-Wellsow, Co-Vorsitzende der Linkspartei, kritisierte gegenüber der Welt die Ideen aus Spahns Ministerium. Sie hält grundlegende Vorsichtsmaßnahmen wie die "3G-Regel" für die Gastronomie und die Maskenpflicht im Nahverkehr immer noch für sinnvoll. "Es muss aber weiterhin möglich sein, alle Aktivitäten, die für Geimpfte erlaubt sind, auch mit einem entsprechenden Testnachweis zu machen."
Keine kostenlosen Tests
Die Bürgertests sollen laut dem Papier aus dem Gesundheitsministerium ab Oktober nicht mehr grundsätzlich kostenlos sein. "Wenn aber jeder mehrfach die Chance zur Impfung hatte, dann können die Tests nicht länger kostenlos bleiben", erklärt Spahn dazu dem Merkur.
Das sei "eine Frage der Fairness", weshalb ab Mitte Oktober "ungeimpfte Erwachsene, die sich hätten impfen lassen können, vor dem Restaurantbesuch für einen Antigen-Schnelltest bezahlen müssen".
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