Nahost

Pegasus-Affäre: Überwachungsstaat im Inland und Abraham-Abkommen im Ausland

Israel setzte das berüchtigte Spähprogramm Pegasus nicht nur gegen Palästinenser ein, sondern auch jahrelang ohne gerichtliche Anordnung gegen israelische Bürger. Das Land nutzte Pegasus in den letzten Jahren zudem als zentrale Säule seiner diplomatischen Bemühungen im Nahen Osten, um seine Beziehungen zu den ultrakonservativen Golfstaaten zu normalisieren.
Pegasus-Affäre: Überwachungsstaat im Inland und Abraham-Abkommen im AuslandQuelle: AFP © Joel Saget

von Seyed Alireza Mousavi

In den vergangenen Wochen sind immer neue Details einer spektakulären Überwachungsindustrie Israels bekannt geworden. Laut einem NYT-Bericht setzte Tel Aviv die Spionagesoftware Pegasus der israelischen Firma NSO in den letzten Jahren als zentrale Säule seiner diplomatischen Bemühungen im Nahen Osten ein, um die Beziehungen zu den ultrakonservativen Golfstaaten zu normalisieren. 

Mehrere palästinensische Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wurden einer Recherche der Süddeutschen Zeitung zufolge offenbar mithilfe der umstrittenen Spionagesoftware ausgespäht. Bei den Gruppen, die mit NSO-Technologie überwacht wurden, handelt es sich um jene sechs Organisationen, die Israels Regierung trotz internationalen Protests im Oktober 2021 zu "Terrorgruppen" erklärt hatte. Im November 2021 hatte auch das palästinensische Außenministerium in Ramallah Israel vorgeworfen, Mitarbeiter des Ministeriums und palästinensische Menschenrechtler mit Pegasus ausspioniert zu haben.

Nun hat die Affäre eine unerwartete Wende genommen, weil Pegasus laut der Wirtschaftszeitung Calcalist nicht nur gegen Palästinenser und pro-palästinensische NGOs eingesetzt wurde, sondern auch gegen israelische Bürger. Die Polizei hat das Spyware-Programm von NSO und möglicherweise andere ähnliche Programme illegal genutzt, um die Mobiltelefone von Israelis zu hacken und so sowohl an ihre privaten Informationen zu gelangen als auch andere Telefone in der Umgebung der Zielpersonen abzuhören. Die Ausspähung wurde allerdings ohne eine erforderliche richterliche Anordnung durchgeführt.

Die israelische Polizei soll dabei nicht nur die Mobiltelefone von Journalisten und Geschäftsleuten überwacht haben, sondern auch die von hohen Regierungsbeamten und sogar Vertrauten des ehemaligen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu.

Die Polizei soll darauf abgezielt haben, an so viele Informationen wie möglich zu gelangen, etwa um "Störungen der öffentlichen Ordnung" vorbeugen zu können oder um Quellen von durchgestochenen Informationen "ausfindig" zu machen. Damit wurde das gesamte Leben von Bürgern – nämlich private Geheimnisse, allgemeine und persönliche Informationen – vor den Augen der Polizei ausgebreitet. Zu diesem Zweck spionierte die Polizei auch bis in die höchsten Ebenen des Regierungsapparats. 

Zu den Personen, deren Telefone von der Polizei gehackt worden sind, gehören auch mehrere Personen, die mit dem laufenden Korruptionsprozess gegen Netanjahu verbunden sind. Das macht deutlich, dass Netanjahu Pegasus auch illegal gegen seine Kritiker eingesetzt hatte. Dabei sollen unter anderem dessen Sohn Avner und zwei enge Berater im Umfeld von Netanjahu illegal bespitzelt worden sein. Die Polizei wies inzwischen alle Vorwürfe zurück, ohne bislang Gegenargumente vorzulegen. Dabei versuchte sie gleichzeitig, die Bedeutung der Vorfälle herunterzuspielen.

Pegasus als Mittel der auswärtigen Diplomatie hatte beim Zustandekommen der sogenannten Abraham-Abkommen eine wichtige Rolle gespielt. Die israelische Regierung soll seit 2018 NSO dazu bewegt haben, dessen Spähprogramm an die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain, Oman und Saudi-Arabien zu verkaufen. Pegasus war ein wichtiger Bestandteil der Bemühungen Israels zur Normalisierung der Beziehungen zu den Golfstaaten.

Die Saudis verloren nach der Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi kurzzeitig den Zugang zu der Spionagesoftware. Der Kronprinz Saudi-Arabiens, Mohammed bin Salman, forderte seinerzeit den damaligen Premierminister Netanjahu auf, einzugreifen, um die Software wieder benutzen zu können. Die Untersuchung der NYT ergab, dass Saudi-Arabien, ein bekannter Kunde von Pegasus, erst wieder autorisiert wurde, die Spionagesoftware zu nutzen, nachdem der saudische Kronprinz bin Salman Netanjahu angerufen hatte.

Nicht nur Khashoggi, der 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul grausam ermordet wurde, ist zu einem Opfer der Pegasus-Ausspähung geworden. Auch seine Ex-Frau wurde einige Monate vor dessen Ermordung mit Pegasus über ihr Handy ausgespäht. Eine von der Forschungsgruppe Citizen Lab der Universität Toronto durchgeführte Analyse zeigt, dass eine Regierungsbehörde der Vereinigten Arabischen Emirate versucht hat, die in Israel hergestellte Spionagesoftware Pegasus mittels einer SMS auf ihrem Handy zu installieren. 

Die Netanjahu-Regierung installierte somit durch die israelische Überwachungsindustrie in den vergangenen Jahren einen Überwachungsstaat im Inland zur Ausspähung von Palästinensern sowie Israelis, während sie Pegasus als ein machtvolles Instrument zur Normalisierung der Beziehungen Israels zu den ultrakonservativen Golfstaaten im Ausland genutzt hatte.

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